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Anpassung der Medikamente an die DNA führt zu 30 Prozent weniger Nebenwirkungen

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(Wien/Leiden u.a., 03-02-2023) Eine internationale Forschungsgruppe unter Mitwirkung der MedUni Wien und Leitung des Leiden University Medical Center hat herausgefunden: Patient:innen haben 30 Prozent weniger schwere Nebenwirkungen, wenn die Medikamentendosis auf deren DNA abgestimmt ist. Die in der Fachzeitschrift „The Lancet“ veröffentlichte Studie ist die erste, die die praktische Anwendung der Verschreibung von Arzneimitteln auf der Grundlage der genetischen Informationen einer Person nachweist.

Der Ansatz einer „Einheitsgröße“ zur Verschreibung von Medikamenten ist überholt. Aufgrund von Unterschieden in unserer genetischen Information können Patient:innen unterschiedlich auf ein bestimmtes Medikament ansprechen. So verarbeiten manche Menschen Medikamente schneller als andere und benötigen daher eine höhere Dosis zur Erzielung der erforderlichen Wirkung. Personalisierte Behandlungen sind daher wünschenswert. Um dies zu ermöglichen, hat die Forschungsgruppe von Matthias Samwald am Institut für Artificial Intelligence an der MedUni Wien einen „DNA-Medikamentenpass“ entwickelt. Dieser Pass verknüpft das genetische Profil der jeweiligen Patient:innen mit Medikamenten, deren Wirkung durch die DNA beeinflusst wird. Durch Einscannen des Passes können Ärzt:innen und Apotheker:innen die optimale Medikamentendosis für die zu behandelnde Person ermitteln.

Standarddosis versus angepasste Dosis
Die Lancet-Studie ergab, dass Patient:innen, die den Medikamentenpass nutzen und deren Dosis entsprechend ihrer DNA eingestellt wird, 30 Prozent weniger schwerwiegende Nebenwirkungen aufwiesen als Patient:innen, denen eine Standarddosis an Medikamenten verschrieben wurde. Dafür wurden rund 7.000 Patient:innen aus sieben europäischen Ländern in verschiedenen medizinischen Fachbereichen untersucht, darunter Onkologie, Kardiologie, Psychiatrie und Allgemeinmedizin.

Allen Teilnehmer:innen wurde ein Medikament verschrieben, dessen Verarbeitung von den Genen beeinflusst wird. Zunächst wurde die DNA aller Patient:innen kartiert. Anschließend untersuchten die Forscher:innen zwölf spezifische Gene. Es zeigte sich, dass 50 Arten von Genvarianten die Wirkung der 39 ausgewählten Medikamente beeinflussen. Bis zu zwölf Wochen nach Beginn der Behandlung wurden die Patient:innen von einer fachlich geschulten Krankenschwester kontaktiert, die sich nach ihren Nebenwirkungen wie Durchfall, Blutarmut, Nervenschmerzen oder Geschmacksverlust erkundigte.

Die Inhaber:innen des DNA-Medikamentenpasses hatten nicht nur weniger Nebenwirkungen, sondern zeigten sich auch sehr zufrieden mit dem Pass selbst. Den Forscher:innen zufolge gibt der Pass den Patient:innen das Gefühl, mehr Kontrolle zu haben, da sie aktiv in ihre personalisierte Behandlung einbezogen werden.

„Zum ersten Mal haben wir nachgewiesen, dass eine ,maßgeschneiderte‘ Strategie in großem Maßstab in der klinischen Praxis funktioniert. Wir haben nun genügend Beweise, um mit der Umsetzung zu beginnen“, sagt Henk-Jan Guchelaar, Professor für Klinische Pharmazie am Leiden University Medical Center.

Ziel des internationalen Projektes „Ubiquitous Pharmacogenomics“ (U-PGx), das durch einen Zuschuss aus dem Programm Horizon 2020 der Europäischen Kommission (Nr. 668353) finanziert wird, ist es, europäischen Patient:innen effektive Therapieoptimierungen mittels pharmakogenetischer Tests zugänglich zu machen.

Das U-PGx-Konsortium wurde vom Leiden University Medical Center geleitet und besteht aus den folgenden weiteren Einrichtungen: Medizinische Universität Wien, Uppsala Universitet, University of Liverpool, Karolinska Institutet, Biologis, KNMP, UMC Utrecht, Golden Helix Foundation, Institut für Klinische Pharmakologie in Stuttgart, Centro di Riferimento Oncologico Aviano, University of Patras, Junta de Andalucía, Université de Toulouse, Universitätsklinikum Aachen, Univerza v Ljubljani.

Projektleiter seitens der MedUni Wien war Matthias Samwald vom Zentrum für Medizinische Statistik, Informatik und Intelligente Systeme/Institut für Artificial Intelligence. Ein Teil der klinischen Studie wurde unter der Leitung von Gere Sunder-Plassmann an der Universitätsklinik für Innere Medizin III durchgeführt.

Publikation: The Lancet
A 12-gene pharmacogenetic panel to prevent adverse drug reactions: an open-label, multicentre, controlled, cluster-randomised crossover implementation study
Jesse J Swen, Cathelijne H van der Wouden, Lisanne EN Manson, Heshu Abdullah-Koolmees, Kathrin Blagec, Tanja Blagus, et al.
Published: February 04, 2023 DOI:https://doi.org/10.1016/S0140-6736(22)01841-4