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Wiener Forschungsteam erhält Crazy-8-Initiative-Förderpreis der Alex's-Lemonade-Stand-Stiftung

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(Wien, 17-03-2021) Das Forschungsprojekt "Tracking the origin of Ewing sarcoma (...)", koordiniert von der St. Anna Kinderkrebsforschung, wurde für den hochdotieren, internationalen Crazy-8-Initiative-Preis ausgewählt. Mit dieser Förderung wollen Wiener Forscherinnen und Forscher das bisher ungelöste Rätsel über Ursprung und Entwicklung von pädiatrischen Knochensarkomen aufklären. Dieses Wissen wäre die Grundlage dafür, neue und effektivere Therapien zur Heilung von Kinderkrebs zu finden.

Ein Forschungsteam der St. Anna Kinderkrebsforschung unter der Leitung von Heinrich Kovar hat für sein Projekt "Tracking Ewing sarcoma origin by developmental and trans-species genomics" den hochdotierten Crazy 8 Initiative Award der Alex's Lemonade Stand Foundation (ALSF) erhalten. Bei der ALSF handelt es sich um eine führende Förderorganisation in der pädiatrischen Krebsforschung. Für den Crazy-8-Initiative-Förderpreis, erhielt die ALSF über 100 Absichtserklärungen von Forscherinnen und Forschern, woraus 83 Förderanträge hervorgingen. Nach strenger Prüfung wurden vier Projekte ausgewählt – eines davon startet nun in Wien.

Gemeinsam arbeiten die Forschungsteams der St. Anna Kinderkrebsforschung, der Medizinischen Universität Wien und der Universität für Bodenkultur Wien unter Kovars Leitung mit Hochdruck an der Beantwortung einer kniffligen Frage, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler seit Generationen beschäftigt: Welche sind die Ursprungszellen von Knochensarkomen und wie entstehen sie?

Das Ewing-Sarkom, ein sehr aggressiver Knochentumor im Kindes- und Jugendalter, ist bei etwa einem Drittel der Patientinnen und Patienten mit einem schlechten Langzeitüberleben verbunden. Der Bedarf an neuen Behandlungsmöglichkeiten zur Verbesserung der Ergebnisse ist hoch. Aber die klinische Entwicklung innovativer neuer Medikamente wird durch die relative Seltenheit der Erkrankung und den Mangel an präklinischen Modellen stark behindert.

Wahnsinnig herausfordernd, aber dringend notwendig
Trotz intensiver Forschung in den letzten Jahrzehnten ist das Ursprungsgewebe des Ewing-Sarkoms sowie der Zeitpunkt seiner genetischen Entstehung nach wie vor unbekannt. Diese Tatsache verhindert die Entwicklung geeigneter Krankheitsmodelle, um die Mechanismen und die Wirksamkeit von Medikamenten zu testen. Daher mangelt es auch an innovativen Therapien. "Nun betreten wir Neuland, um das Geheimnis dieser Krankheit zu entschlüsseln", kündigt Kovar an. "Das übergeordnete Ziel unseres Projekts ist es, ein geeignetes präklinisches Tumormodell zu entwickeln, das die menschliche Erkrankung rekapituliert. Damit wäre es möglich, präklinische Wirkstoffscreenings im Hochdurchsatz laufen zu lassen."
"Um das Ursprungsgewebe und den Differenzierungszustand des Ewing-Sarkoms zu entschlüsseln, werden wir zwei komplementäre Ansätze verfolgen", erklärt Kovar.

Nutzbarmachen des epigenetischen Gedächtnisses in Fischlarven
Unter der Leitung von Martin Distel, St. Anna Kinderkrebsforschung, nutzt der erste Ansatz das epigenetische Gedächtnis der Zelle, die sich an ihr Ursprungsgewebe "erinnert". Damit sollen jene Zellen in Zebrafisch-Larven aufgespürt werden, die analog zu den Zellen des Knochensarkoms beim Menschen sind. Kovar: "Die Genexpression wird weitgehend durch die Epigenetik reguliert. Aus dem epigenetischen Gedächtnis der Zelle nutzen wir mehrere genregulierende Elemente, die typischerweise im menschlichen Ewing-Sarkom aktiv sind und die höchstwahrscheinlich auch in der Zelle des Krebsursprungs aktiviert sind. Wir verwenden diese Elemente, um in Zebrafischlarven Reportergene zu regulieren, die für fluoreszierende Proteine kodieren." Sobald die sarkomspezifischen Regulierungselemente in bestimmten Zellen der Zebrafischlarven aktiviert werden, leuchten diese Zellen auf.

"Diesen Prozess beobachten wir während der gesamten Fischentwicklung und stellen folgende Fragen: Wann beginnen die Zellen zu leuchten? In welchem Gewebe? Und für wie lange?", erklärt Distel.
Anschließend isolieren die Forscherinnen und Forscher die fluoreszierenden Zellen um deren Identität zu bestimmen. Dann exprimieren sie das krankheits-treibende Onkogen im identifizierten Zelltyp, was zur Tumorbildung im Fisch führen sollte. Bisher war es nicht möglich, ein Ewing-Sarkom menschlichen Ursprungs in einem Tiermodell zum Wachstum zu bringen. Sollte es den Forscherinnen und Forschern gelingen, wäre dies ein großer Fortschritt bei der Erforschung des Knochensarkoms bei Kindern.

Kartierung von Krebs auf gesundem Gewebe
Der zweite Ansatz, unter der Ko-Leitung von Florian Halbritter, konzentriert sich auf mesenchymale und Neuralleisten-Stammzellen, die als mögliche Ursprungszelltypen für die Entstehung des Ewing-Sarkoms in Frage kommen. "Mit Hilfe von Einzelzell-Transkriptom- und Epigenom-Analysen werden wir eine genaue Referenzkarte der menschlichen Stammzellentwicklung erstellen. Wir werden diese Stammzellen in Knorpel-, Knochen-, Fett- oder Nervenzellen differenzieren. Zu verschiedenen Zeitpunkten der Stammzelldifferenzierung möchten wir dann das krebsauslösende Onkogen aktivieren und die sarkomartige Transformation dynamisch überwachen."
"Wir wollen wissen: Wie differenzieren sich diese Zellen mit und ohne dem Onkogen?", so Halbritter. Dieses Wissen soll in einem Differenzierungsatlas von gesunder versus Krebsentwicklung zusammengefasst werden. In der Folge wird die so erstellte Karte mit Daten von menschlichen Tumoren verglichen, um zu sehen, welche Zelltypen und Differenzierungszustände am besten zu den Tumoren passen.

"In diesen unabhängigen, aber komplementären Ansätzen besteht der neuartige und entscheidende Aspekt unserer Strategie darin, nicht nur die Zelle des Tumorursprungs zu lokalisieren, sondern auch zu untersuchen, in welchem Entwicklungsstadium die Tumorbildung induziert wird. Wenn wir erfolgreich sind, erwarten wir, dass unser Ansatz zu einigen wenigen Kandidaten-Zelltypen und Differenzierungszuständen hinführt, die dann für die Modellierung der Krankheit verwendet werden können", erklärt Kovar.

Bei hohem Risiko ist das richtige Team entscheidend
Dieses multidisziplinäre Forschungsprojekt erfolgt in enger Zusammenarbeit des Ewing-Sarkom-Experten Heinrich Kovar, dem Molekularbiotechnologen Martin Distel und dem Bioinformatiker Florian Halbritter (alle von der St. Anna Kinderkrebsforschung) mit dem Entwicklungsbiologen Igor Adameyko, und dem Genomexperten Matthias Farlik (beide von der Medizinischen Universität Wien) sowie der Expertin für Zell Engineering Cornelia Kasper (Universität für Bodenkultur, Wien).

Die Crazy 8 Initiative, die von der ALSF ins Leben gerufen wurde, hat das Ziel, "wirkungsvolle Forschung zu finanzieren, die für Kinder mit historisch schwer heilbaren Krebsarten dringend benötigt wird". Sie bezieht sich auf acht ungelöste, brennende Forschungsfragen im Bereich Kinderkrebs, die zu den größten Herausforderungen zählen. "Deshalb müssen wir ein hohes Risiko eingehen und neue Wege in der Forschung beschreiten", sagt Kovar. "Es besteht das Risiko des Scheiterns, aber auch die Chance auf einen echten Wandel im Kampf gegen Kinderkrebs."