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April 2010 | Ruth Drdla,Matthias Gassner

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MUW RESEARCHER OF THE MONTH, April 2010

Die Jury „Researcher of the Month” verleiht die Auszeichnung für diesen Monat Frau Dr.in Ruth Drdla und Herrn Mag. Matthias Gassner aus Anlass der 2009 in dem Top-Journal Science (IF: 30,3) erschienenen Publikation „Induction of synaptic long-term potentiation after opioid withdrawal” [1] Science 2009. Die beiden Erstautoren (equal contribution) arbeiten am Zentrum für Hirnforschung, Abteilung für Neurophysiologie (Leiter: Univ.-Prof. Dr. J. Sandkühler) der MedUni Wien. Die Grundlagenforschung auf diesem Gebiet wurde vom Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) unterstützt. In dieser herausragenden Publikation beschreiben die Autoren einen bislang unbekannten zellulären Mechanismus der Opioid-induzierten Schmerzverstärkung, als deren Ursache ein Anstieg der Konzentration von freien Kalziumionen in Nervenzellen des Rückenmarks nachgewiesen werden konnte.

NMDA-Rezeptorblocker und langsames Absetzen der Opioide verhindern eine anhaltende synaptische Potenzierung (LTP) und in Folge das Auftreten von peripheren Schmerzen
Opioide, morphinähnliche Substanzen die wegen ihrer hohen Wirksamkeit und guten Verträglichkeit weltweit bei Millionen von PatientInnen mit starken Schmerzen eingesetzt werden, stellen unverändert den Goldstandard in der Schmerztherapie dar. Die analgetische Wirkung der Opioide entsteht hauptsächlich durch Hemmung der schmerzrelevanten Informationen im Rückenmark. Wenn Opioide abrupt abgesetzt werden, z.B. nach Operationen, kann es bei manchen PatientInnen unmittelbar postoperativ zu einer ausgeprägten peripheren Schmerzensymptomatik kommen, gelegentlich auch mit der Tendenz zur Chronifizierung. In ihren Untersuchungen haben die Autoren einen neuartigen Mechanismus entdeckt, welcher für die Verstärkung der Übertragung von Schmerzinformationen von einer Nervenzelle auf die nächste und die damit verbundene stark erhöhte Schmerzempfindlichkeit verantwortlich ist. Interessanterweise führt ein abruptes Absetzen nicht nur zu einer schnellen Erholung der synaptischen Übertragung, sondern auch zu einer nachfolgenden lang anhaltenden synaptischen Potenzierung (long-term potentiation, LTP) an der ersten synaptischen Umschaltung von den nozizeptiven Nervenfasern auf Neurone im Hinterhorn des Rückenmarks. Auf zellulärer Ebene ähnelt der in der vorliegenden Arbeit beschriebene Mechanismus jenen Vorgängen, die beim Lernen und bei der Gedächtnisbildung eine Rolle spielen. 

Frau Dr.in Drdla und Herr Mag. Gassner konnten zeigen, dass eine Langzeitpotenzierung der synaptischen Übertragung (LTP) durch Entzug verschiedener Opioide sowohl in vivo als auch in vitro ausgelöst werden kann. Mit einem modernen bildgebenden Verfahren, der 2-Photonen-Laserscanning-Mikroskopie, konnte als Ursache hierfür ein Anstieg der Konzentration von freien Kalziumionen in Nervenzellen des Rückenmarks gefunden werden. Kalziumionen sind ein universeller Botenstoff in Nervenzellen, welcher eine Reihe von Enzymen aktiviert. Die bislang aufgeschlüsselte Kette zellulärer Ereignisse umfasst die Aktivierung von G-Proteinen und kalziumpermeablen NMDA(N-Methyl-D-Aspartat)-Rezeptoren im postsynaptischen Neuron, den Anstieg der Kalziumionenkonzentration unmittelbar nach Entzug der Opioide, die Aktivierung der Proteinkinase C und letztendlich die anhaltende Potenzierung der synaptischen Übertragungsstärke in den nozizeptiven C-Fasern (Schmerzfasern). Wenn die Opioidgabe nicht abrupt beendet, sondern über einen längeren Zeitraum behutsam reduziert wurde, waren keine erhöhten Schmerzsignale mehr messbar. Ferner konnte gezeigt werden, dass die Signalverstärkung durch die gleichzeitige Gabe eines NMDA-Rezeptorblockers verhindert wurde. Dieser Rezeptortyp spielt auch eine Rolle bei dem sogenannten „Schmerzgedächtnis“, wo es nach Schmerzreizen ebenfalls zu einer andauernden Schmerzverstärkung kommt. Beide Maßnahmen, das langsame „Ausschleichen“ der Opioidgabe und die Blockade der NMDA-Rezeptoren verhindern die Signalverstärkung vollständig, ohne dabei die erwünschte Hemmwirkung der Opioide zu beeinträchtigen.

Wissenschaftliches Umfeld 
Frau Dr.in Drdla arbeitet seit 2004 an der Abteilung für Neurophysiologie am Zentrum für Hirnforschung. Sie beschäftigte sich zunächst mit der Untersuchung der synaptischen Langzeitpotenzierung im Rückenmark, welche ein Modell für manche Formen von Hyperalgesie darstellt. Methodisch lag der Schwerpunkt dabei auf elektrophysiologischen Ableitungen im tief anästhesierten Tier. Teile ihrer Doktorarbeit wurden bereits 2006 in dem weltweit führenden Wissenschaftsjournal Science (IF 30,3) [4] und in Molecular Pain [2] publiziert. In dem aktuellen Projekt untersuchte Frau Dr. Drdla die Effekte von μ-Opioidrezeptor-Agonisten auf die synaptische Übertragung im Rückenmark. Zurzeit beschäftigt sich Frau Dr.in Drdla mit der weiteren Aufklärung der zellulären Mechanismen der beim Entzug eines Opioids ausgelösten Langzeitpotenzierung im Rückenmark.

Herr Mag. Gassner arbeitete während seines Studiums der Zoologie an der Medizinischen Universität Wien in der Arbeitsgruppe von Univ.-Prof. Dr. J. Sandkühler am Zentrum für Hirnforschung. In dieser Zeit beschäftigte er sich mit der Wirkung von Noradrenalin auf hemmende Neurone im Rückenmark. Methodisch lag der Schwerpunkt auf elektrophysiologischen Ableitungen in vitro. Aus diesem Forschungsprojekt entstand seine Diplomarbeit unter dem Titel „Direct excitation of spinal GABAergic interneurons by noradrenaline“, die er 2007 mit Auszeichnung beendete und die in Pain, dem international führenden Journal für Anästhesie und Schmerzforschung, veröffentlicht wurde [3]. Im Rahmen des PhD-Studiums mit Schwerpunkt für Neurowissenschaften an der MUW, ebenfalls unter der Betreuung von Univ.-Prof. Dr. J. Sandkühler, befasst sich Herr Mag. Gassner derzeit mit dem Phänomen der Potenzierung nozizeptiver Information durch Opioide im Rückenmark. Im Zuge dieser Arbeit entwickelte er gemeinsam mit DDr. M. Wagner und Dr. H. Fischer eine Herzlungenmaschine für Ratten um stabile Kalziumgradientenmessungen im Rückenmark durchzuführen. Die Ergebnisse dieser Arbeiten wurden gemeinsam mit Frau Dr. R. Drdla höchstrangig in Science publiziert [1]. Ein weiterer Forschungsschwerpunkt des 28-jährigen Wissenschaftlers ist die Rolle hemmender Neurone im Rückenmark beim Schmerz.

Persönliches 
Ruth Drdla wurde 1979 in Wien geboren und maturierte 1998 in Wien mit Auszeichnung. 2004 schloss sie das Studium der Humanbiologie an der Universität Wien ab. Ihre Diplomarbeit „The Bereitschaftspotential and the role of the SMA and the primary motor areas in consciously versus unconsciously performed voluntary unilateral movements“ führte sie am Ludwig Boltzmann-Institut für funktionelle Hirntopographie am AKH Wien unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. L. Deecke durch. Von 2004 bis 2008 arbeitete sie an ihrer Dissertation mit dem Titel „Induction and reversal of long-term potentiation in the spinal cord dorsal horn in vivo“ in der Arbeitsgruppe von Univ.-Prof. Dr. J. Sandkühler in der Abteilung für Neurophysiologie am Zentrum für Hirnforschung an der MUW. Zurzeit ist Frau Dr.in Drdla wissenschaftliche Assistentin am Zentrum für Hirnforschung. Sie wurde durch mehrere Forschungsstipendien ausgezeichnet.

Matthias Gassner wurde 1981 in St. Pölten geboren und maturierte 2000 in St. Pölten. 2007 schloss er das Studium der Zoologie an der Universität Wien ab. Seine Diplomarbeit „Direct excitation of spinal GABAergic interneurons as a mechanism for noradrenergic decending inhibition“ führte Mag. Gassner am Zentrum für Hirnforschung an der MUW unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. J. Sandkühler durch. Derzeit arbeitet Herr Mag. Gassner an seiner Dissertation mit dem Titel „Induction of synaptic long-term potentiation after opioid withdrawl“ am Zentrum für Hirnforschung.

Ausgewählte Literatur

  1. Drdla R, Gassner M, Gingl E, Sandkühler J. Induction of synaptic long-term potentiation after opioid withdrawal. Science 2009;325:207-210.
  2. Drdla R, Sandkühler J. Long-term potentiation at C-fibre synapses by low-level presynaptic activity in vivo. Mol Pain 2008;4:18.
  3. Gassner M, Ruscheweyh R, Sandkühler J. Direct excitation of spinal GABAergic interneurons by noradrenaline. Pain 2009;145:204-210.
  4. Ikeda H, Stark J, Fischer H, Wagner M, Drdla R, Jäger T, Sandkühler J. Synaptic amplifier of inflammatory pain in the spinal dorsal horn. Science 2006;312:1659-1662.

Kontakt
Mag.a Ruth Drdla, PhD
Zentrum für Hirnforschung 
Abteilung für Neurophysiologie
Spitalgasse 4

1090 Wien

T.: 0043 (0)1-4277-62842
ruth.drdla@meduniwien.ac.at 

Mag. Matthias Gassner
Zentrum für Hirnforschung 
Abteilung für Neurophysiologie
Spitalgasse 4

1090 Wien 

T.: 0043 (0)1-4277-62835
matthias.gassner@meduniwien.ac.at