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April 2011 | Irene Görzer

Mag.a Dr.in Irene Görzer

Irene Görzer

MedUni Wien RESEARCHER OF THE MONTH, April 2011

Die Jury „Researcher of the Month” verleiht die Auszeichnung für diesen Monat Frau Mag. Dr. Irene Görzer aus Anlass der im Juli 2010 in dem Top–Journal „Journal of Virology” (IF 5,150) erschienenen Publikation „Deep sequencing reveals highly complex dynamics of human cytomegalovirus genotypes in transplant patients over time” [1]. In dieser Studie wird erstmals eine neue und hochsensitive „pyrophosphate-based ultradeep sequencing technology” angewendet, welche eine detaillierte Information über die Komplexität der humanen Zytomegalievirus (HCMV)-Infektion bei lungentransplantierten Patienten ermöglicht. Diese Publikation entstand im Department für Virologie (MedUni Wien) unter der Leitung von Frau Prof. Dr. E. Puchhammer-Stöckl in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Medizinische Grundlagenforschung der Medizinischen Universität Graz (Dr. C. Gülly und Dr. S. Trajanoski).

Mittels der hochsensitiven „ultra-deep pyrosequencing” Methode wurden erstmals Komplexität und zeitliche Dynamik von Mischpopulationen mit dem humanen Zytomegalievirus nach Transplantation umfassend bestimmt
Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher humaner Zytomegalievirus (HCMV)-Stämme, die sich durch hochvariable Regionen im Virusgenom voneinander unterscheiden. Jede dieser variablen Regionen kann in eine begrenzte Anzahl an Genotypen unterteilt werden und dient somit der genetischen Charakterisierung eines HCMV-Stammes. Eine Erstinfektion mit einem HCMV-Stamm führt zu einer lebenslangen Latenz mit sporadischen Reaktivierungen. Die natürliche Immunität schützt jedoch nicht oder nur bedingt vor einer Reinfektion mit einem weiteren HCMV- Stamm [2]. Deshalb nimmt man an, dass sich auch in einer gesunden, immunkompetenten Person im Laufe des Lebens mehrere HCMV-Stämme ansammeln können, wobei Erstinfektion, Reaktivierungen und Reinfektionen meist ohne klinische Symptome verlaufen.

Durch die starke Immunsuppression haben Transplantationspatienten jedoch ein besonders hohes Risiko, an einer schweren und manchmal sogar mehrmals auftretenden HCMV-Infektion zu erkranken. Studien konnten außerdem zeigen, dass eine Infektion mit mehreren HCMV-Stämmen den Verlauf der Erkrankung verschlechtern kann [3]. Es wird vermutet, dass in manchen Transplantationspatienten eine komplexe HCMV-Mischpopulation entstehen kann, bedingt durch die Kombination der HCMV-Stämme des seropositiven Empfängers mit den HCMV-Stämmen eines seropositiven Spenders. Mit den bisherigen Methoden konnte eine Mischinfektion jedoch nur bedingt charakterisiert werden [4].

In dieser Arbeit wurde das „ultra-deep pyrosequencing”, eine hoch sensitive Sequenzierungsmethode, angewendet, um die HCMV-Genotypen umfassend zu bestimmen, die während einer Episode einer HCMV-Infektion in Lungentransplantationspatienten auftreten können. Der große Vorteil dieser neuen Technologie liegt darin, dass es nun möglich ist, die relative Häufigkeit der einzelnen Genotypen in der Mischung zu bestimmen und auch jene HCMV-Genotypen nachzuweisen, die in sehr geringer Konzentration (< 1%) in der Mischpopulation vorhanden sind.

In der vorliegenden Arbeit konnte nun erstmals gezeigt werden, dass in einer Mischpopulation bis zu sechs unterschiedliche HCMV-Genotypen vorhanden sein können, aber dass nur ein bis zwei Genotypen – die Hauptgenotypen – fast 90% der gesamten HCMV-DNA in einer Patientenprobe abdecken, da die restlichen HCMV-Genotypen nur in einer Konzentration zwischen 0.1% und 8.6% vorliegen. Durch die Untersuchung HCMV-DNA-positiver Proben zu unterschiedlichen Zeitpunkten nach Lungentransplantation konnten wir feststellen, dass sich sowohl die Zusammensetzung als auch die Verteilung der relativen Häufigkeit in einer Mischpopulation von einer Episode der HCMV-Infektion zur nächsten stark verändern kann. Um diese hier erstmals gezeigte unerwartet hohe Komplexität und Dynamik einer Zytomegalie-Mischpopulation in Patienten besser zu verstehen, müssen nun die Mechanismen, die zu einer HCMV-Mischinfektion führen, aufgeklärt werden. Dieses Wissen ist sowohl für die Entwicklung neuer Therapieansätze als auch vor allem für die Impfstoffentwicklung von großer Bedeutung.

Wissenschaftliches Umfeld
Die eingereichte Arbeit von Frau Dr.in Görzer sowie die meisten früheren Publikationen sind am Department für Virologie der Medizinischen Universität Wien (Leiter: Prof. Dr. F. X. Heinz) in der Forschungsgruppe von Frau Prof. Dr. E. Puchhammer-Stöckl entstanden. Ein Schwerpunkt dieser Forschungsgruppe ist die Analyse von verschiedenen HCMV- und Epstein-Barr-Virus (EBV)-Stämmen und deren Rolle bei Infektionen von immunkompetenten Personen und Transplantationspatienten. Die eingereichte sowie eine weitere Publikation wurden in Kooperation mit Dr. C. Gülly und Dr. S. Trajanoski (Medizinische Universität Graz) durchgeführt; bei diesen Arbeiten wurde die Technologie des „deep sequencing” für die detaillierte Analyse von HCMV-Mischinfektionen eingesetzt [1 und 5]. Andere Arbeiten im Rahmen des Forschungs-schwerpunktes HCMV sind vor allem in enger Zusammenarbeit mit der klinischen Abteilung für Thoraxchirurgie der Medizinischen Universität Wien (Leiter: Prof. Dr. W. Klepetko) entstanden [3,4]. Die Analyse von EBV-Stämmen nach Transplantation wurde in Kooperation mit der Medizinischen Universität in Rotterdam, Prof. Dr H.G.M. Niesters und Prof. Dr. J. Cornelissen, durchgeführt [6,7].

Persönliches
Frau Dr.in Görzer wurde 1964 in Lienz/Osttirol geboren. Matura in Spittal/Drau 1983. 1991-98 Diplomstudium der Genetik und Mikrobiologie an der Universität Wien. Diplomarbeit am Institut für Biochemie an der Universität Wien mit dem Thema: „Einführung nicht-selektionierbarer Punktmutationen in das Desmin-Gen von embryonalen Stammzellen der Maus” (Betreuer: Dr. G. Weitzer). 1999-2002 Doktoratsstudium der Genetik an der Universität Wien mit dem Thema „Functional characterization of the actin-related protein Act3p/Arp4 of Saccharomyces cerevisiae by genetic and biochemical analyses of its putative ATP binding pocket” (Betreuerin: Prof.in Dr.in U. Wintersberger). Seit 2003 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Department für Virologie der MedUni Wien. Forschungsschwerpunkte sind das humane Zytomegalievirus (HCMV) – Primärinfektion, Reinfektion, Reaktivierung, die Bestimmung der genetischen Diversität der HCMV-Stämme, das Ausmaß der HCMV- Mischpopulationen im Patienten.

Ausgewählte Literatur

  1. Görzer I, Guelly C, Trajanoski S, Puchhammer-Stöckl E. Deep sequencing reveals highly complex dynamics of human cytomegalovirus genotypes in transplant patients over time. J Virol. 2010 Jul;84(14):7195-203. Epub 2010 May 12. 
  2. Görzer I, Kerschner H, Redlberger-Fritz M, Puchhammer-Stöckl E. Human cytomegalovirus (HCMV) genotype populations in immunocompetent individuals during primary HCMV infection. J Clin Virol. 2010 Jun;48(2):100-3.
  3. Puchhammer-Stöckl E, Görzer I, Zoufaly A, Jaksch P, Bauer CC, Klepetko W, Popow-Kraupp T. Emergence of multiple cytomegalovirus strains in blood and lung of lung transplant recipients. Transplantation. 2006 Jan 27;81(2):187-94.
  4. Görzer I, Kerschner H, Jaksch P, Bauer C, Seebacher G, Klepetko W, Puchhammer-Stöckl E. Virus load dynamics of individual CMV-genotypes in lung transplant recipients with mixed-genotype infections. J Med Virol. 2008 Aug;80(8):1405-14.
  5. Görzer I, Guelly C, Trajanoski S, Puchhammer-Stöckl E. The impact of PCR-generated recombination on diversity estimation of mixed viral populations by deep sequencing. J Virol Methods. 2010 Oct;169(1):248-52.
  6. Görzer I, Niesters HG, Cornelissen JJ, Puchhammer-Stöckl E. Characterization of Epstein-Barr virus Type I variants based on linked polymorphism among EBNA3A, -3B, and -3C genes. Virus Res. 2006 Jun;118(1-2):105-14.
  7. Görzer I, Puchhammer-Stöckl E, van Esser JW, Niesters HG, Cornelissen JJ. Associations among Epstein-Barr virus subtypes, human leukocyte antigen class I alleles, and the development of posttransplantation lymphoproliferative disorder in bone marrow transplant recipients. Clin Infect Dis. 2007 Mar 1;44(5):693-5.

Kontakt
Mag.a Dr.in Irene Görzer
Department für Virologie
Medizinische Universität Wien
Kinderspitalgasse 15
1095 Wien

T.: +43 (0)1 40160-65573
E-Mail: irene.goerzer@meduniwien.ac.at