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2022 April - Polina Kameneva

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Dr.in Polina Kameneva

MedUni Wien RESEARCHER OF THE MONTH, April 2022

Die Jury „Researcher of the Month” verleiht die Auszeichnung für diesen Monat an Frau Polina Kameneva, PhD aus Anlass der im Top-Journal „Nature Genetics“ (IF 38.33) erschienenen Arbeit „Single-cell transcriptomics of human embryos identifies multiple sympathoblast lineages with potential implications for neuroblastoma origin“ [6]. Die multidisziplinäre Studie entstand im Rahmen ihrer Postdoktoranden-Tätigkeit an der Abteilung für Neuroimmunologie am Zentrum für Hirnforschung, Arbeitsgruppe Univ.Prof. Igor. Adameyko, PhD (Leiter der Abteilung für Neuroimmunologie) in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe von Gilbert S. Omenn, MD '65, PhD, Associate Professor of Biomedical Informatics, P. Kharchenko (beide Harvard Medical School, USA) und Forschungsgruppen am Karolinska Institutet, Schweden sowie am Endocrinology Research Center, Russland.

Besonderheiten der humanen sympathoadrenalen Entwicklung helfen, das Geheimnis des Neuroblastoms zu enträtseln

Einer der häufigsten soliden extrakraniellen Tumoren bei Säuglingen – das Neuroblastom – erfordert nach wie vor effizientere Behandlungsstrategien, die eine rückfallfreie Genesung gewährleisten können. Das unzureichende Wissen über die Ursachen der Neuroblastom-Entwicklung (oft im mutationsfreien Hintergrund), seine Entstehung und die hohe intratumorale zelluläre Heterogenität erschweren die Entwicklung einer solchen Therapie [1-3].

Neuroblastome bestehen hauptsächlich aus sympathischen Neuroblasten, treten jedoch normalerweise in der Nebennierenregion auf. Das Nebennierenmark beherbergt neuroendokrine chromaffine Zellen, die einige Ähnlichkeiten mit Sympathoblasten aufweisen [4, 5]. Die Beziehung zwischen der Entwicklung von Sympathoblasten und chromaffinen Zellen könnte einen Schlüssel zum Geheimnis des Neuroblastoms beinhalten.

Die aktuelle Arbeit von Kameneva, Artemov et al. 2021 (Nature Genetics) [6], klärt humanspezifische Merkmale der Entwicklung von Chromaffin- und Sympathoblasten-Linien auf und skizziert die kritischen Entwicklungsaspekte für das Auftreten von Neuroblastomen, insbesondere in der Nebennierenregion. Die Vorläuferzellpopulation von chromaffinen Zellen in human-nervenassoziierten Schwann-Zellvorläufern (SCPs) führt auch zu einer einzigartigen Population von intraadrenalen Sympathoblasten. Die Verbindung und die gegenseitigen Entwicklungsübergänge zwischen Sympathoblasten und chromaffinen Zellen, die sich über einen langen Zeitraum der menschlichen Nebennierenentwicklung erstrecken, schaffen außergewöhnliche Bedingungen für die Entstehung von Neuroblastomen.

Konkret zeigt unsere Studie:

1. einen bisher nicht erkannten humanspezifischen Beitrag von Nervenzell-assoziierten SCPs zu unreifen proliferativen Sympathoblasten innerhalb der Nebenniere,

2. die Einwanderung von SCP-abgeleiteten Sympathoblasten in eine Population von neuroendokrinen chromaffinen Zellen im menschlichen Nebennierenmark,

3. die Anwesenheit unreifer proliferativer Sympathoblasten im Nebennierenmark, die sich von SCP ableiten und große proliferierende ganglienähnliche Strukturen bilden,

4. dass die embryonalen intramedullären Sympathoblasten, Brückenzellen und SCPs den Untergruppen von malignen adrenergen Zellen und SCP-ähnlichen Zellen entsprechen, die in Neuroblastombiopsien gefunden werden.

Diese neuen Erkenntnisse verschieben den Blick auf den möglichen Ursprung des Neuroblastoms. Derzeit wird angenommen, dass das Neuroblastom im Stadium der wandernden Neuralleistenzellen beginnt. Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Innervation nervenassoziierte multipotente und proliferativ aktive SCPs für längere Zeit an die Stellen der aktiven Zelldifferenzierung in der Nebenniere liefern kann. Eine schnelle Organexpansion mit der Notwendigkeit, ähnliche Zelllinien spezifisch zu trennen, kann für die Anhäufung der tumorfördernden genetischen und epigenetischen Störungen günstig sein.

Solche Störungen beeinflussen das feine Gleichgewicht zwischen Genexpression und dem Auftreten prämaligner Klone mit unterschiedlichem Differenzierungsgrad, was zu den sehr heterogenen Neuroblastom-Typen führt.

Wissenschaftliches Umfeld

Die veröffentlichte Arbeit ist das Ergebnis einer umfassenden Kombination experimenteller und bioinformatischer Bemühungen. Ein hochmoderner Ansatz für die Einzelzell-RNA-Sequenzierung wurde verwendet, um etwa 100.000 Zellen aus humanen fötalen Nebennieren aus sechs verschiedenen Stadien zu charakterisieren. Die bioinformatische Analyse der menschlichen Nebenniere und der Vergleich mit Neuroblastom-Einzelzellprofilen werden durch eine Reihe experimenteller Ansätze ergänzt, wie z. B. der fluoreszierenden Multiplex-Immunhistochemie, der fluoreszierenden Einzelmolekül-RNA-In-situ-Hybridisierung, der Nachverfolgung der Abstammungslinie bei gentechnisch veränderten Mäusen sowie „state-of-the-art“ klonale Analysen durch molekulare Einzelzell-Barcoding-Technologie.

Das Projekt beinhaltet den Beitrag von zwei jungen Wissenschaftlern, die sich die Erstautorenschaft teilen. Dr.in Polina Kameneva, eine Postdoktorandin, war für die experimentelle Analyse verantwortlich und Artem Artemov, ein Doktorand, war für die Bioinformatik-Analyse verantwortlich. Beide arbeiten derzeit in der Abteilung für Neuroimmunologie, Zentrum für Hirnforschung der Medizinischen Universität Wien. Darüber hinaus wurden die Arbeiten von Teammitgliedern aus beiden Teilen der Adameyko-Forschungsgruppe in Wien und Stockholm für Experimente und Analysen unterstützt und zusammengeführt.

Zur Person

Die Karriere von Dr.in Polina Kameneva erstreckt sich über einen Zeitraum von acht Jahren, einschließlich eines markanten Wechsels der Forschungsgebiete (von Meeresbiologie zu krebsbezogenen Neuro-wissenschaften) und einer ausgedehnten Postdoktorandenausbildung im Labor von Univ.Prof. Igor Adameyko, PhD. Während der dreijährigen Postdoktorandenzeit arbeitete Dr.in Kameneva an der Entschlüsselung der Neuroblastom-Heterogenität und -Ursprungs, wobei die Methoden der Einzelzell-Transkriptomik angewandt wurden, um die Heterogenität von Tumoren und humanen embryonalen Zellpopulationen zu bewerten. Dr.in Kamenevas herausragende Ergebnisse wurden 2021 publiziert (Nature Genetics) [6], gefolgt von einer Publikation in Cancer Cell, ebenfalls 2021 [7], eine weitere Publikation ist gegenwärtig under revision (Nature Communications).

Heute konzentriert sich das Forschungsgebiet von Dr.in Kameneva auf das grundlegende Problem, wie Tumorzellen Entwicklungsprogramme während ihrer klonalen Evolution und Expansion nutzen; dabei sollen Fragen gelöst werden, inwieweit sich Störungen, Voreingenommenheit oder abweichende Verzögerungen auf das Zellschicksal auswirken und zu einer Tumorentstehung führen – gezeigt an einem Modell humaninduzierter pluripotenter Stammzellen und Organoide. Dr.in Kameneva ist begeisterte Mentorin von Master- und PhD-StudentInnen und engagiert sich aktiv in der Lehre der Abteilung für Neuroimmunologie des Zentrums für Hirnforschung. Seit 2021 ist Dr.in Kameneva Mitglied der Austrian Neuroscience Association.

Ausgewählte Literatur

  1. Johnsen, J.I., Dyberg, C. & Wickström, M. Neuroblastoma—A Neural Crest Derived Embryonal Malignancy. Frontiers in Molecular Neuroscience 12 (2019).
  2. Boeva, V. et al. Heterogeneity of neuroblastoma cell identity defined by transcriptional circuitries. Nat Genet 49, 1408-1413 (2017).
  3. van Groningen, T. et al. Neuroblastoma is composed of two super-enhancer-associated differentiation states. Nat Genet 49, 1261-1266 (2017).
  4. Furlan, A. et al. Multipotent peripheral glial cells generate neuroendocrine cells of the adrenal medulla. Science 357 (2017).
  5. Kastriti, M.E. et al. Schwann Cell Precursors Generate the Majority of Chromaffin Cells in Zuckerkandl Organ and Some Sympathetic Neurons in Paraganglia. Frontiers in Molecular Neuroscience 12 (2019).
  6. Kameneva, P. et al. Single-cell transcriptomics of human embryos identifies multiple sympathoblast lineages with potential implications for neuroblastoma origin. Nature Genetics (2021).
  7. Kameneva, P. et al. Evolutionary switch in expression of key markers between mouse and human leads to mis-assignment of cell types in developing adrenal medulla. Cancer Cell 39, 590-591 (2021).

 


Dr.in Polina Kameneva

Dr.in Polina Kameneva
Medizinische Universität Wien
Zentrum für Hirnforschung
Abteilung für Neuroimmunologie
Spitalgasse 4
A-1090 Vienna, Austria

T: +43 (0)1 40160-34216
polina.kameneva@meduniwien.ac.at