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2022 September - Christoph Kornauth und Tea Pemovska

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Dr. Christoph Kornauth und Dr.in Tea Pemovska, PhD

MedUni Wien RESEARCHER OF THE MONTH, September 2022

Die Jury „Researcher of the Month” verleiht die Auszeichnung für diesen Monat Herrn Dr. Christoph Kornauth und Frau Dr.in Tea Pemovska, PhD aus Anlass der im Top-Journal „Cancer Discovery“(IF 39.4) erschienenen Arbeit „Functional precision medicine provides clinical benefit in advanced aggressive hematological cancers and identifies exceptional responders“. Die multidisziplinäre Studie entstand an der Klinischen Abteilung für Hämatologie und Hämostaseologie in der Arbeitsgruppe von Assoc. Prof. Dr. P. Staber (Leiter der Gruppe Funktionelle Präzisionshämatologie und Programmdirektor für Lymphome, CLL und T-Zellneoplasien) in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe von Univ.-Prof. G. Superti-Furga (Wissenschaftlicher Direktor des CeMM und Professor am Zentrum für Pharmakologie), der Arbeitsgruppe von Assoc. Prof. Berend Snijder (Gruppenleiter an der ETH Zürich und ehemaliger PostDoc in der Gruppe Superti-Furga) und Prof.in Ingrid Simonitsch-Klupp (Stv. Leiterin des Klinischen Instituts für Pathologie und Leiterin der Hämatopathologischen Labors).

Funktionelle Präzisionsmedizin ebnet den Weg für eine verbesserte Behandlung und bessere Ergebnisse bei aggressivem Blut- und Lymphdrüsenkrebs

Aggressiver Blut- und Lymphdrüsenkrebs stellt Patient:innen und Behandlungsteams vor große Herausforderungen. Besonders bei Rückfällen oder bei refraktären Erkrankungen gibt es häufig keine etablierte Standardtherapie. In einer mehrjährigen Kooperation der Klinischen Abteilung für Hämatologie der Universitätsklinik für Innere Medizin I und dem Center for Molecular Medicine des ÖAW (CeMM) wurde ein innovativer translationaler Ansatz etabliert, der in diesen schwierigen Situationen Abhilfe verspricht. Die Extended Analysis for Leukemia/Lymphoma Treatment (EXALT-1) Studie ist die erste prospektive und systematische Untersuchung eines funktionellen, präzisionsmedizischen Verfahrens zur personalisierten Therapiefindung (1). Lebende Tumorzellen der Patientin werden mittels einer single-cell functional precision medicine (scFPM) genannten, bildanalytischen Hochdurchsatz-Medikamenten-Testung auf mögliche Empfindlichkeit gegenüber 100 Therapeutika untersucht (2,3). Die gewonnenen Ergebnisse werden im Rahmen eines interdisziplinären Tumorboards diskutiert und in einen maßgeschneiderten Therapievorschlag überführt.

Die Arbeit belegt sowohl die technische Machbarkeit im klinischen Alltag als auch den individuellen Erfolg: 39% (56/143) der Patient:innen erhielten eine scFPM basierte Therapie; im Vergleich zu klassischen, sequencing-basierten Studien ein höherer Anteil. Die Ergebnisse lagen im Median innerhalb von 5 Tagen und damit deutlich schneller als in sequencing-basierten Studien vor. Nach einem medianen Nachuntersuchungszeitraum von 23.9 Monaten zeigten 54% (30/56) der Patient:innen einen individuellen Vorteil, welcher durch eine Steigerung des progressionsfreien Überlebens (PFS) um 30% im Vergleich zur zuletzt stattgehabten Tumortherapie definiert wurde. 21% (12/56) der Patient:innen zeigten sogenannten „exceptional response“ also ein PFS, das 3-mal länger ist, als es bei der entsprechenden Erkrankung zu erwarten wäre.

Durch scFPM werden mehrere Probleme der klassischen, sequencing-basierten personalisierten Medizin umgangen:

1) Die Ergebnisse stehen deutlich schneller zur Verfügung, was bei aggressiven Erkrankungen mit hohem Therapiedruck essenziell ist.

2) Unser Verständnis des Zusammenspiels von genetischen, epigenetischen, immunologischen und metabolischen Faktoren in Tumorentstehung und -progression ist limitiert und direkte therapeutische Konsequenzen nur in den seltensten Fällen einfach ableitbar(4). scFPM bietet unmittelbar klinisch nutzbare Therapievorschläge auf Basis eines direkten Read-outs: dem Tumorzelltod.

3) Selbst breite NGS-Verfahren entdecken nur in wenigen Fällen etablierte Therapietargets (5–7) während scFPM einer größeren Zahl von Patient:innen therapeutische Optionen bietet.

Die EXALT-1 Studie zeigt so, dass scFPM klinisch nützliche Therapievorschläge ermittelt, sich in die klinische Therapiefindung integrieren lässt und Patient:innen einen individuellen Vorteil ermöglicht.

Wissenschaftliches Umfeld

Diese Arbeit ist das Ergebnis einer multidisziplinären Zusammenarbeit zwischen Ärzt:innen der Abteilung für Hämatologie und Hämostaseologie der MUW unter der Leitung von Prof. Staber, Wissenschaftler:innen der Gruppe von Prof. Giulio Superti-Furga am CeMM, der Gruppe von Prof. Berend Snijder an der ETH Zürich und HämatopatholoInnen des Instituts für Pathologie der MUW unter der Leitung von Prof.in Ingrid Simonitsch-Klupp. Diese Gruppen arbeiten am gemeinsamen Ziel, Funktionsprofile von Tumorzellen zur Optimierung der Behandlung von Krebspatienten zu nutzen. Entscheidend für den Erfolg der Studie war die enge Zusammenarbeit zwischen grundlagenorientierten und zahlreichen klinischen Gruppen sowohl an der MUW als auch in anderen österreichischen Zentren. Dies ermöglichte eine rasche Translation von Erkenntnissen der Grundlagenforschung in die klinische Anwendung. Die Studie wurde neben dem AKH auch von anderen medizinischen Zentren in Wien und ganz Österreich unterstützt und bildet die Grundlage für die kürzlich eingeleitete prospektive randomisierte Studie zum Vergleich von funktionellen Arzneimitteltests mit umfassender genomischer Profilerstellung und ärztlicher Entscheidung (EXALT-2, NCT04470947).

Zu den Personen

Dr. Christoph Kornauth, geboren 1983, begann seine wissenschaftliche Tätigkeit während des Medizinstudiums in Wien (2004-2010) im Labor von Prof. Wolfgang Mikulits am Institut für Krebsforschung der Universitätsklinik für Innere Medizin I und forschte während seiner Facharztausbildung zum Pathologen am Klinischen Institut für Pathologie in der Arbeitsgruppe von Prof. Dontscho Kerjaschki. Im Rahmen seiner Spezialisierung auf Hämatopathologie bei Prof.in Ingrid Simonitsch-Klupp und seines Gegenfachs an der Klinischen Abteilung für Hämatologie begann Dr. Kornauth seine Tätigkeit im Labor von Prof. Philipp Staber, wo er sein PhD-Studium im Programm „Malignant Disease“ (N094) begann, das zur Publikation der vorliegenden Studie führte.

Dr.in Tea Pemovska, geboren 1986, begann ihre wissenschaftliche Tätigkeit während ihres Bachelor- und Masterstudiums (2005-2010) der biomedizinischen und pharmazeutischen Wissenschaften an der Universität Utrecht in den Niederlanden. Ihr PhD-Studium (2011-2015) absolvierte sie am Institute for Molecular Medicine Finnland der Universität Helsinki unter der Leitung von Prof. Krister Wennerberg und beschäftigte sich mit chemischer Systembiologie und personalisierter Medizin bei akuten und chronischen myeloischen Leukämien. Als Postdoktorandin (2016-2020) arbeitete sie in der Gruppe von Prof. Giulio Superti-Furga am Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (CeMM) und untersuchte das Zusammenspiel zwischen Zellstoffwechsel, Tumorbiologie und Immunsystem in Blutkrebs, wobei sie tumorspezifische metabolische Schwachstellen mittels Chemosensitivitäts-Screens identifizierte. Bereits während ihres Post-Docs beteiligte sie sich an der von Prof. Philipp Staber geleiteten EXALT-1 Studie. Mit dem Bestreben, die Durchführung funktioneller Arzneimitteltests in der Klinik weiterzuerforschen und zu optimieren, trat sie im März 2020 in die von Prof. Philipp Staber geleiteten Gruppe für funktionelle Präzisionshämatologie als leitende Wissenschaftlerin ein.

Ausgewählte Literatur

  1. Kornauth C, Pemovska T, Vladimer GI, Bayer G, Bergmann M, Eder S, et al. Functional Precision Medicine Provides Clinical Benefit in Advanced Aggressive Hematological Cancers and Identifies Exceptional Responders. Cancer Discov. 12(2):372-387 (2022).
  2. Snijder B, Vladimer GI, Krall N, Miura K, Schmolke AS, Kornauth C, et al. Image-based ex-vivo drug screening for patients with aggressive haematological malignancies: interim results from a single-arm, open-label, pilot study. Lancet Haematol. 4(12):e595-e606 (2017).
  3. Vladimer GI, Snijder B, Krall N, Bigenzahn JW, Huber KVM, Lardeau CH, et al. Global survey of the immunomodulatory potential of common drugs. Nat Chem Biol. 13(6):681-690 (2017).
  4. Tourneau CL, Delord JP, Gonçalves A, Gavoille C, Dubot C, Isambert N, et al. Molecularly targeted therapy based on tumour molecular profiling versus conventional therapy for advanced cancer (SHIVA): a multicentre, open-label, proof-of-concept, randomised, controlled phase 2 trial. Lancet Oncol. 16(13):1324-34 (2015).
  5. Dienstmann R, Jang IS, Bot B, Friend S, Guinney J. Database of Genomic Biomarkers for Cancer Drugs and Clinical Targetability in Solid Tumors. Cancer Discov. 5(2):118-23 (2015).
  6. Pishvaian MJ, Blais EM, Brody JR, Lyons E, DeArbeloa P, Hendifar A, et al. Overall survival in patients with pancreatic cancer receiving matched therapies following molecular profiling: a retrospective analysis of the Know Your Tumor registry trial. Lancet Oncol. 21(4):508-518 (2020).
  7. Prasad V. Perspective: The precision-oncology illusion. Nature. 537(7619):S63 (2016).

Kontakt

Dr. Christoph Kornauth
Medizinische Universität Wien
Klinisches Institut für Pathologie
Währingel Gürtel 18-20
1090 Wien

T: 43 (0)1 40400-51740
christoph.kornauth@meduniwien.ac.at

 

Dr.in Tea Pemovska
Medizinische Universität Wien
Universitätsklinik für Innere Medizin I
Klinische Abteilung für Hämatologie und Hämostaseologie
Währinger Gürtel 18-20
1090 Wien

T: 43 (0)1 40400-73784
tea.pemovska@meduniwien.ac.at