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Dipl.-Ing. Maximilian Baumgartner
MedUni Wien RESEARCHER OF THE MONTH, März 2022
Die Jury „Researcher of the Month” verleiht die Auszeichnung für diesen Monat Herrn
Dipl.-Ing. Maximilian Baumgartner aus Anlass der im Top-Journal „Gastroenterology“ (IF 22.682) erschienenen Arbeit „Mucosal Biofilms Are an Endoscopic Feature of Irritable Bowel Syndrome and Ulcerative Colitis“. Die multidisziplinäre Studie entstand im Rahmen des MD/PhD-Studiums von Dipl.-Ing. Maximilian Baumgartner an der Klinischen Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie in der Arbeitsgruppe von Ao. Univ.-Prof. Dr. Christoph Gasche in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe von Prof. Athanasios Makristathis (Abteilung für Mikrobiologie, Klinisches Institut für Labormedizin, MedUni Wien), Prof. Markus Muttenthaler (Institut für Biologische Chemie, Uni Wien), Prof. Markus F. Neurath (Friedrich-Alexander Universität, Erlangen), Dr. Thomas Köcher (VBCF, Core Facilities), Prof.in Doris Moser (Universitätsklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, MedUni Wien), Dr.in Andrea Beer (Klinische Institut für Pathologie, MedUni Wien), Prof. David Berry (Abteilung für Mikrobielle Ökologie, Zentrum für Mikrobiologie und Umweltsystemwissenschaft, Uni Wien) sowie der Joint Microbiome Facility, (MedUni Wien/Uni Wien).
Biofilme im Darm als Ausdruck eines aus dem Gleichgewicht geratenen Ökosystems
Die Inzidenz von Erkrankungen, welche den Verdauungstrakt betreffen nimmt weltweit zu. In Industriestaaten leidet schon jede Zehnte an Reizdarmsyndrom (RDS) und 0.5 – 1 % der Bevölkerung hat eine chronisch entzündliche Darmerkrankung (CED). Diese Erkrankungen sind korreliert mit westlichem Lebensstil, zunehmendem Antibiotikakonsum und bakterienschädigenden Nahrungszusatzstoffen1.
Das bakterielle Ökosystem in unserem Darm (Mikrobiom) spielt eine entscheidende Rolle in der Krankheitsentstehung. Dies wird auch dadurch bestätigt, dass die Transplantation von gesundem Stuhl zu einer vorübergehenden Symptomlinderung in RDS und CED Patient*innen führen kann2,3. Bisher hat sich die Mikrobiomforschung vor allem auf die relative Zusammensetzung der Bakterienpopulation und ein vermehrtes bzw. vermindertes Vorkommen einzelner ‚Bakterienarten‘ fokussiert4. In der Studie ‚Mucosal Biofilms Are an Endoscopic Feature of Irritable Bowel Syndrome and Ulcerative Colitis‘ haben wir uns mit der bakteriellen Biofilmbildung auseinandergesetzt. Bakterielle Gemeinschaften betten sich dabei in eine komplexe extrazelluläre Matrix ein und verwenden diese Wachstumsart um sich zu schützen und dadurch einen Wachstumsvorteil zu erzielen. Die bekannteste Erkrankung, welche mit Biofilmen in assoziiert wird, ist Karies. Aber auch Infektionen der Gallengänge, des Magens, der Blase und Darmkrebs sind mit mikroskopisch identifizierten bakteriellen Biofilmen in Zusammenhang gebracht worden5.
In unsere multizentrische Studie wurden 1426 Patient*innen rekrutiert und mittels Darmspiegelung untersucht. Mit umfassenden interdisziplinären Methoden wie Amplikonsequenzierung, Metabolomik, Elektronenmikroskopie, konfokaler Lasermikroskopie, Bioinformatik mit ‚machine learning‘ und in-vitro Biofilmassays haben wir gezeigt, dass bakterielle Biofilme bei mehr als der Hälfte der RDS- und über ein Drittel der Colitis ulcerosa Patient*innen auftreten. Weiters konnten wir Biofilme mit einem aus dem Gleichgewicht gebrachten Mikrobiom in Zusammenhang bringen. Patient*innen, welche einen Biofilm im Darm haben, hatten auch einen gestörten bakteriellen Gallensäurenmetabolismus und eine verminderte bakterielle Diversität mit den überwachsenden Keimen Escherichia coli und Ruminococcus gnavus.
Der Hauptpunkt dieser Studie war jedoch, dass Biofilme als membranartige grün-gelbe Auflagerungen im Übergangsbereich zwischen Dünn- und Dickdarm endoskopisch sichtbar sind. So konnten wir zum ersten Mal ein ‚gestörtes‘ Mikrobiom makroskopisch visualisieren und mit dem Paradigma brechen, dass RDS keine sichtbaren Veränderungen im Darm hat. Endoskopisch sichtbare Biofilme haben das Potential die Behandlung und Krankheitsklassifikation von RDS und CED zu revolutionieren. Die Studie hat bereits in zahlreichen nationalen6–8 und internationalen Medien9,10 Anklang gefunden und hat es auch auf das Titelblatt eines der wichtigsten gastroenterologischen Journals geschafft11.
Wissenschaftliches Umfeld
Maximilian Baumgartner lernte next-generation-sequencing (NGS) und die Grundzüge des wissenschaftlichen Arbeitens am Vienna BioCenter (VBCF) in der Core Facility unter Dr. Andreas Sommer kennen. Als Diplomarbeit für sein Studium der technischen Chemie an der TU Wien fing er in der Arbeitsgruppe (AG) von Prof. Gasche an Escherichia coli Effektorproteine und epitheliale Reparaturmechanismen in CED zu erforschen12.
Nach Abschluss des technischen Chemie Studiums begann er mit der oben beschriebene ‘Biofilm’ Studie als Teil seines weiterführenden MD/PhD Studiums in der AG von Prof. Gasche. Diese interdisziplinäre Studie wurde im Rahmen des 2018 WWTF Calls ‘Linking Research and Patients’ Needs’ mit 800.000€, und eines FWF KLIF Projektes mit 200.000€ gefördert. Im Rahmen seiner Ausbildung spezialisierte sich Maximilian, neben dem molekularbiologischen und mikrobiologischen Arbeiten im Labor, auch auf die bioinformatische Analyse und graphische Darstellung komplexer Datensätze. Mit den gewonnenen Kenntnisse half er bei Mikrobiom Analysen in der eigenen AG13–15, der AG von Prof. Michael Trauner16 (Universitätsklinik für Innere Medizin III, Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie, MedUni Wien), sowie Prof.in Enikö Kállay17 (Zentrum für Pathophysiologie, Infektiologie und Immunologie, MedUni Wien).
Die oben angeführte Studie wurde von Maximilian in einem Talk in der ‘clinical IBS Session’ auf der digestive disease week 2019 in San Diego präsentiert18, für welchen er mit dem ‘Young investigator recognition award’ der American Gastroenterological Association ausgezeichnet wurde. Ein von ihm zum Thema auf der 2019 ÖGGH in Innsbruck präsentiertes Poster erhielt den Posterpreis für „best endoscopy poster“. Janssen (Johnson and Johnson) zeichnete Maximilian 2019 mit dem science2business/Janssen special award aus.
Zur Person
Maximilian Baumgartner wurde 1992 in Wien geboren. Er studierte von 2010 bis 2016 technische Chemie mit dem Schwerpunkt Bioanalytik an der Technischen Universität Wien. Anschließend begann er parallel ein PhD sowie Humanmedizinstudium an der MedUni Wien, welche er voraussichtlich im Sommer 2022 abschließen wird. Neben seiner Forschungstätigkeit beteiligt sich Maximilian auch an der Lehre im Rahmen des Humanmedizinstudiums und betreut Bachelor- sowie Diplomarbeiten.
Ausgewählte Literatur
- Chassaing B, Koren O, Goodrich JK, Poole AC, Srinivasan S, Ley RE, Gewirtz AT. Dietary emulsifiers impact the mouse gut microbiota promoting colitis and metabolic syndrome. Nature [Internet]. 2015; Available from: http://dx.doi.org/10.1038/nature14232
- Johnsen PH, Hilpüsch F, Cavanagh JP, Leikanger IS, Kolstad C, Valle PC, Goll R. Faecal microbiota transplantation versus placebo for moderate-to-severe irritable bowel syndrome: a double-blind, randomised, placebo-controlled, parallel-group, single-centre trial. The Lancet Gastroenterology and Hepatology. 2018;3(1):17–24.
- Costello SP, Hughes PA, Waters O, Bryant RV, Vincent AD, Blatchford P, Katsikeros R, Makanyanga J, Campaniello MA, Mavrangelos C, Rosewarne CP, Bickley C, Peters C, Schoeman MN, Conlon MA, Roberts-Thomson IC, Andrews JM. Effect of Fecal Microbiota Transplantation on 8-Week Remission in Patients with Ulcerative Colitis: A Randomized Clinical Trial. JAMA - Journal of the American Medical Association [Internet]. 2019. Available from: http://dx.doi.org/10.1001/jama.2018.20046 PMID: 30644982
- Lloyd-Price J, Arze C, Ananthakrishnan AN, Schirmer M, Avila-Pacheco J, Poon TW, Andrews E, Ajami NJ, Bonham KS, Brislawn CJ, Casero D, Courtney H, Gonzalez A, Graeber TG, Hall AB, Lake K, Landers CJ, Mallick H, Plichta DR, Prasad M, Rahnavard G, Sauk J, Shungin D, Vázquez-Baeza Y, White RA, Bishai J, Bullock K, Deik A, Dennis C, Kaplan JL, Khalili H, McIver LJ, Moran CJ, Nguyen L, Pierce KA, Schwager R, Sirota-Madi A, Stevens BW, Tan W, ten Hoeve JJ, Weingart G, Wilson RG, Yajnik V, Braun J, Denson LA, Jansson JK, Knight R, Kugathasan S, McGovern DPB, Petrosino JF, Stappenbeck TS, Winter HS, Clish CB, Franzosa EA, Vlamakis H, Xavier RJ, Huttenhower C. Multi-omics of the gut microbial ecosystem in inflammatory bowel diseases. Nature [Internet]. 2019; Available from: http://dx.doi.org/10.1038/s41586-019-1237-9 PMID: 31142855
- Tytgat HLP, Nobrega FL, van der Oost J, de Vos WM. Bowel Biofilms: Tipping Points between a Healthy and Compromised Gut? [Internet]. Trends in Microbiology. 2019. Available from: http://dx.doi.org/10.1016/j.tim.2018.08.009
- Biofilme als Ursache für Reizdarm [Internet]. 2021 [cited 2021 Oct 11]. Available from: https://science.orf.at/stories/3207223/
- APA. Reizdarmsyndrom meist in Verbindung mit bakteriellen Biofilmen [Internet]. Salzburger Nachrichten. 2021 [cited 2021 Oct 11]. Available from: https://www.sn.at/panorama/wissen/reizdarmsyndrom-meist-in-verbindung-mit-bakteriellen-biofilmen-105405505
- Dem Reizdarm mit einer Spitzpistole zu Leibe rücken [Internet]. kurier.at. 2021 [cited 2021 Oct 17]. Available from: https://kurier.at/wissen/gesundheit/mikrobiom-dem-reizdarm-mit-einer-spitzpistole-zu-leibe-ruecken/401418648
- [Cited 2021 Oct 11]. Available from: https://www.healio.com/news/gastroenterology/20210618/biofilms-may-be-tipping-point-in-development-of-dysbiosis-disease-in-ibs-uc
- Nye J. Bacterial biofilms frequently identified during endoscopy among patients with irritable bowel syndrome or ulcerative colitis [Internet]. 2021 [cited 2021 Oct 11]. Available from: https://www.gastroenterologyadvisor.com/ulcerative-colitis/biofilm-layers-associated-with-decreased-bacterial-diversity-in-patients-with-ibs-and-uc/
- Cover 1. Gastroenterology. Elsevier BV; 2021 Oct 1;161(4):OFC.
- Khare V, Krnjic A, Frick A, Gmainer C, Asboth M, Jimenez K, Lang M, Baumgartner M, Evstatiev R, Gasche C. Mesalamine and azathioprine modulate junctional complexes and restore epithelial barrier function in intestinal inflammation. Sci Rep. 2019 Feb 26;9(1):2842. PMCID: PMC6391397
- Evstatiev R, Cervenka A, Austerlitz T, Deim G, Baumgartner M, Beer A, Krnjic A, Gmainer C, Lang M, Frick A, Schachner H, Khare V, Gasche C. The food additive EDTA aggravates colitis and colon carcinogenesis in mouse models. Sci Rep. 2021 Mar 4;11(1):5188. PMCID: PMC7933154
- Frick A, Khare V, Jimenez K, Dammann K, Lang M, Krnjic A, Gmainer C, Baumgartner M, Mesteri I, Gasche C. A Novel PAK1–Notch1 Axis Regulates Crypt Homeostasis in Intestinal Inflammation. Cellular and Molecular Gastroenterology and Hepatology. 2021 Jan 1;11(3):892-907.e1.
- Lang M, Baumgartner M, Rożalska A, Frick A, Riva A, Jarek M, Berry D, Gasche C. Crypt residing bacteria and proximal colonic carcinogenesis in a mouse model of Lynch syndrome. Int J Cancer. 2020 Oct 15;147(8):2316–2326. PMCID: PMC7496850
- Tardelli M, Bruschi FV, Fuchs CD, Claudel T, Auer N, Kunczer V, Baumgartner M, A H O Ronda O, Verkade HJ, Stojakovic T, Scharnagl H, Habib A, Zimmermann R, Lotersztajn S, Trauner M. Monoacylglycerol Lipase Inhibition Protects From Liver Injury in Mouse Models of Sclerosing Cholangitis. Hepatology. 2020 May;71(5):1750–1765. PMCID: PMC7317927
- Gröschel C, Prinz-Wohlgenannt M, Mesteri I, Karuthedom George S, Trawnicek L, Heiden D, Aggarwal A, Tennakoon S, Baumgartner M, Gasche C, Lang M, Marculescu R, Manhardt T, Schepelmann M, Kallay E. Switching to a Healthy Diet Prevents the Detrimental Effects of Western Diet in a Colitis-Associated Colorectal Cancer Model. Nutrients [Internet]. 2019 Dec 23;12(1). Available from: http://dx.doi.org/10.3390/nu12010045 PMCID: PMC7019913
- Baumgartner M, Lang M, Orgler E, Khare V, Moser D, Holley H, Gmainer C, Krnjic A, Evstatiev R, Primas C, Mandorfer M, Kazemi-Shirazi L, Zioutis C, Berry D, Gasche C. 443 – Intestinal Biofilms are an Endoscopic Feature of Irritable Bowel Syndrome. Gastroenterology [Internet]. 2019; Available from: http://dx.doi.org/10.1016/s0016-5085(19)37016-7